Search

Ford, VW und Co.: Der Kampf zwischen Zulieferern und Autokonzernen - WELT

kartelmulu.blogspot.com

Als Michael Militzer vor mehr als 13 Jahren den Kampf aufnahm, gab es nicht wenige Kollegen, die ihn für verrückt erklärten. Militzer legte sich ausgerechnet mit einem der großen Kunden seines thüringischen Zulieferunternehmens Mitec an. Der amerikanische Autogigant Ford hatte ihm Anfang 2007 mitgeteilt, dass man die bisher bei Mitec eingekauften Teile nicht mehr brauche.

Das Unternehmen aus Eisenach baute unter anderem sogenannte Massenausgleichsysteme, die dafür sorgen, dass Schwingungen im Motorraum reduziert werden. Doch diese Systeme wollte Ford künftig lieber anderswo günstiger einkaufen, in Mexiko zum Beispiel.

Lesen Sie auch
Thomas Andrae
Innovationen

Militzer fühlte sich betrogen: Ford habe Details der Technologie unerlaubt an Konkurrenten weitergegeben, die nun die Mitec-Systeme kopierten und billiger lieferten. Dass Lieferanten ausgelistet und ersetzt werden, passiert häufig in der Autoindustrie. Oft ist das für die betroffenen Zulieferer existenzbedrohend, manchmal der Anfang vom Ende.

Die Machtverhältnisse sind in der Regel klar: Wirklich wehren können sich die Lieferanten nicht. Doch Militzer wollte nicht akzeptieren, dass ihm Ford einfach die Aufträge streicht, er hatte schließlich damit kalkuliert und entsprechend investiert.

Preisdruck auf die Zulieferer

Er wagte das Unvorstellbare: Militzer verklagte Ford. Erst jetzt, 13 Jahre später, ist der Streit nach Informationen von WELT AM SONNTAG beigelegt, es gibt einen Vergleich. Doch für Militzer und Mitec kommt er zu spät.

Der Druck der Autobauer auf die oft mittelständischen Zulieferer ist enorm, bei Verhandlungen müssen die Lieferanten teils ihre eigenen Kosten und Kalkulationen offenlegen und bekommen dann Preise und Mengen diktiert. Oft sind sie von wenigen großen Aufträgen abhängig. Nur selten versucht sich einer der Zulieferer zu wehren.

Vor Gericht wurde die Mitec-Technologie mit den nachgeahmten Bauteilen verglichen
Vor Gericht wurde die Mitec-Technologie mit den nachgeahmten Bauteilen verglichen
Quelle: picture-alliance/ dpa

Derzeit macht der Streit zwischen Prevent und Volkswagen Schlagzeilen. VW versucht die Zuliefergruppe loszuwerden, nachdem einige Prevent-Firmen die Produktion des Autobauers per Lieferstopp lahmgelegt hatten.

Gekämpft wird in diesem Fall mit harten Bandagen, interne VW-Sitzungen wurden abgehört, ein Mitarbeiter des Autobauers, der verdächtigt wird, die Tonaufnahmen angefertigt zu haben, ist inzwischen tot.

Lesen Sie auch
(FILES) This file photo taken on February 28, 2020 shows the power plant at the headquarters of German car maker Volkswagen (VW) in Wolfsburg, Germany. - German carmaker Volkswagen on Thursday, July 30, 2020 reported a pre-tax loss of 1.4 billion euros ($1.6 billion) for the first half of 2020 after the coronavirus pandemic sent sales plummeting. (Photo by Ronny Hartmann / AFP)
Autobauer gegen Zulieferer

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft, ob es sich bei der Leiche in einem ausgebrannten Auto um den VW-Mitarbeiter handelt. Auch dessen Haus war offenbar schon vor einigen Monaten in Brand gesteckt worden. Längst scheint denkbar, dass der Streit zwischen Lieferant und Kunde mit Mitteln ausgetragen wird, die mit Recht und Gesetz nichts mehr zu tun haben.

Militzer hatte immer auf den Rechtsstaat gesetzt, über ein Jahrzehnt lang. Erst Anfang des Jahres kam es zum Vergleich. „Die Ford Motor Company und Mitec haben einen Konflikt über eine in 2006/2007 beendete Lieferbeziehung gütlich beigelegt“, bestätigt ein Sprecher.

Von einer juristischen Instanz zur nächsten

Der Autobauer soll rund zehn Millionen Euro gezahlt haben, um den Streit aus der Welt zu schaffen, bestätigen will das Unternehmen das nicht. „Die Details der Einigung sind vertraulich“, so der Sprecher. Militzer könnte das als Erfolg verbuchen, doch es ist ein Pyrrhussieg, den der frühere Unternehmer nur noch von der Seitenlinie aus verfolgen kann.

Militzer hatte die Hälfte der Firma schon 2016 verkauft und die andere Hälfte auf seinen Sohn übertragen, zwei Jahre später kam die Pleite. Mitec, einst klassisches Beispiel für die deutsche Zulieferindustrie – hoch spezialisiert, Weltmarktführer, Mittelständler –, musste 2018 Insolvenz anmelden. Der Versuch des Lieferanten, sein Recht durchzusetzen, hatte schlicht zu lange gedauert.

Lesen Sie auch
Deutsche Autohersteller sind überwiegend schlecht durch die Krise gekommen, wie die Bilanz pro Fahrzeug ausweist
Krisenbilanz

Es war ein verworrener juristischer Kampf, der durch alle Instanzen ging. Dass Mitec grundsätzlich einen Anspruch auf Schadenersatz habe, hatte zwischenzeitlich sogar der Bundesgerichtshof entschieden.

Eigentlich war nur noch zu klären, wie hoch der Schaden genau war, doch als das Landgericht im thüringischen Meiningen darüber entscheiden sollte, stellten die Richter fest, dass die Ansprüche verjährt seien. Dabei hatten Mitec und Ford stets einen Verzicht auf Verjährung vereinbart. Man hätte auch gegen dieses Urteil wieder in Berufung gehen können, doch sieben Tage nach der Entscheidung meldete Mitec Insolvenz an.

Lesen Sie auch
Die Untoten werden täglich mehr: Durch die seit März ausgesetzte Insolvenzantragsfrist könnte sich die Zahl der Zombieunternehmen nun auf 550.000 erhöhen
Schutz vor Firmen-Insolvenzen

Dass es nun überhaupt zu einer Beilegung kommt, liegt auch daran, dass inzwischen nicht mehr der Unternehmer Militzer die Entscheidungen trifft, sondern der Insolvenzverwalter. „Der Vergleich, den der Insolvenzverwalter der Mitec mit Ford geschlossen hat, ist eine Katastrophe“, sagt Militzer.

„Ford zahlt nur zehn Millionen Euro, obwohl sich der Schaden sicher auf 80 bis 100 Millionen beläuft. Es ging dem Insolvenzverwalter eindeutig nur darum, möglichst schnell wenigstens ein bisschen Geld zu bekommen.“

Unverzichtbarkeit als einzige Lösung

Wäre es nach ihm gegangen, die Auseinandersetzung wäre damit wohl erst so richtig eskaliert. „Der Insolvenzverwalter hätte die Anwaltskanzlei in Haftung nehmen müssen, die Mitec beraten hat. Schließlich haben diese Anwälte den Verjährungsverzicht zwischen Ford und Mitec jährlich ausgehandelt, den das Landgericht dann für unwirksam erklärt hat“, sagt Militzer.

„Stattdessen hat die gleiche Kanzlei dann auch den Vergleich des Insolvenzverwalters mit Ford aktiv mitverhandelt. Das ist ein klarer Interessenkonflikt, natürlich zur Abwehr einer gegen die Kanzlei zu richtenden Schadensersatzklage.“

Das inzwischen an einen US-Investor verkaufte Unternehmen Mitec und der zuständige Insolvenzverwalter wollten sich zu den Vorwürfen und den Umständen des Vergleichs nicht äußern.

Lesen Sie auch
Kurze Verschnaufpause auf dem Trip nach Italien: VW-Chef Herbert Diess
Herbert Diess fährt ID.3

„Dass Ford zahlt, zeigt, dass wir recht hatten. Aber für Mitec kommt das zu spät und ist viel zu wenig“, moniert Militzer. „Ford will mit dieser Summe nun Rechte an der Mitec-Technologie kaufen, obwohl das Unternehmen auf Basis von Gutachten immer bestritten hat, dass Mitec überhaupt solche Rechte habe.“

Auch Experten beobachten, dass gerade mittelständische Lieferanten kaum Chancen haben, sich gegen Autobauer zu wehren. „Je kleiner die Zulieferer, umso abhängiger sind sie“, sagt Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research. Er sieht nur eine Möglichkeit: Die Zulieferer müssten so innovativ sein, dass sie für die Autobauer unverzichtbar werden. Mitec habe genau das getan, sagt Militzer. Geholfen hat es nicht.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

Packshot WAMS 16082020
E-Tag 23.8.2020
halbe Seite
Quelle: Welt am Sonntag



August 28, 2020 at 06:33PM
https://ift.tt/3bciVC4

Ford, VW und Co.: Der Kampf zwischen Zulieferern und Autokonzernen - WELT

https://ift.tt/2Aqip5t
Ford

Bagikan Berita Ini

Related Posts :

0 Response to "Ford, VW und Co.: Der Kampf zwischen Zulieferern und Autokonzernen - WELT"

Post a Comment

Powered by Blogger.